Frohe Weihnachten ihr Lieben! Ein paar Monate lang war Weihnachten unterwegs ein schwieriges Thema für mich. Es ist mein liebstes Fest des Jahres und normalerweise fange ich Ende November/ Anfang Dezember damit an unsere Wohnung zu schmücken, damit wir es gemütlich haben und in Stimmung …
Wir sind mit recht niedrigen Erwartungen nach Xialiuqu gefahren. Es ist eine kleine Koralleninsel an der Küste vor Kaohsiung und wir wollten nur ein paar entspannte Tage am Meer, da wir den letzten Monat konstant auf Achse waren (es gibt so viel zu sehen überall!). …
Taipei kam mit etwas ganz Besonderem: Hanna,eine meiner ältesten Freundinnen von Kindheit an, und ihr Verlobter Michel trafen uns am Flughafen. Ich sprang buchstäblich auf und ab vor Freude, als ich ihre glücklichen Gesichter in der Menge sah. Versteht mich nicht falsch – ich liebe es mit Adam zu reisen. Aber es gibt keinen größeren Luxus, als eine meiner engsten Freundinnen unterwegs zu treffen und gemeinsam auf die Suche nach Abenteuern zu gehen. Glücklicherweise verstehen sich auch Adam und Michel prima (und entwickelten im Laufe der Woche eine tiefe Männerfreundschaft) und so konnten meine Lieblingshanna und ich in aller Ruhe quatschen und die großen und die kleinen Neuigkeiten abdecken, während wir durch kitschige Lädchen bummelten oder meilenweit vor den Jungs her rasten (das ist einfach unser natürliches Tempo, wenn wir erstmal in Fahrt sind).
Offensichtlich werden wir mal gemeinsam alt 🙂
Weder Hanna noch Michel waren je zuvor in Asien und ihren ersten Eindruck mitzuerleben war eine rechte Freude – insbesondere weil uns nach so langer Reise Manches gar nicht mehr auffallen würde. Verrückte Taxifahrer, das laut Tripadvisor beste Dumpling Haus in Taipei (welches sich ironischerweise als Din Tai Fung herausstellte, in dessen LA Filiale schon mehrfach waren), gedrängte Nachtmärkte und Stinketofu. Adam forderte Michel heraus, um nach Schrimps zu fischen und sie verschlangen beide tapfer ihren Fang; Hanna und ich schlürften glücklich Papayamilch und versuchten den schrecklichsten Ring für sie zu finden, als Ersatz für ihren Verlobungsring, den sie, aus Angst ihn zu verlieren, daheim gelassen hatte. Wir lernten, dass Michel alles isst was Mango ist (ganz egal ob als taiwanesisches, gehobeltes Eis, getrocknet oder frisch aufgeschnitten).
Michel isst alles was Mango ist – wenn die Hanna nicht schneller is(s)tMan weiß, dass man in Asien ist, wenn eine vierköpfige Familie auf dasselbe Moped passt
Auf einer Stadtwanderung entdeckten Adam und Michel die größte Spinne, die ich je gesehen habe – und jemals sehen will, doch Beitous Thermalquellen, in denen wir badeten, bis wir so runzelig waren, wie die alten TaiwanesInnen um uns herum, beruhigten unsere Nerven wieder. Wir erkundeten den Kenting Nationalpark (wo Michel und ich uns bemühten Schlangen zu erspähen, aber nur mit Tausendfüßlern fündig wurden) und seine wilden Korallenhöhlen, die vor Jahrhunderten aus dem Meer empor tauchten und nun mit Djungel und den hängenden Wurzeln von Banyan Feigen überwachsen sind. Währen ein paar Cocktails in einer mobilen Bar am Straßenrand versuchten wir zu erraten, was die jeweils anderen machen würden, wenn Geld kein Hindernis wäre und zum ersten Mal seit Monaten planschten wir im Meer – zu salzig, urteilte Michel, wir würden ihm nur einen von fünf Sternen geben ;).
Unsere gemeinsame Reise kam in Kaohsiung viel zu bald zu ihrem Ende, mit einem Abend voller Hotpot Abenteuer und Stadterkundung. Obwohl es wahnsinnig traurig war, sich so bald schon wieder verabschieden zu müssen, bin ich wahnsinnig froh und dankbar, dass es überhaupt geklappt hat – es war, als wären wir wieder auf Klassenfahrt, frei von Sorgen und voller Freundschaft.
Südkorea! Vor nur wenigen Monaten hatten wir beschlossen, dieses Land zu überspringen. Aber das war natürlich genau zu der Zeit, als Trump und Kim Jong-un auf Twitter Drohungen umher warfen wie Konfetti und eine Atomkatastrophe so unmittelbar bevorzustehen schien, man hätte meinen können es wäre …
An unserem zweiten Tag unterwegs wollen wir den stressigen Lärm der Stadt hinter uns lassen und den Tag am Strand verbringen, um runter und langsam in den Reiserhythmus zu kommen. Von Albrook, dem Busbahnhof der Stadt, wollen wir zum Hafen fahren, wo uns eine Fähre …
Während unser Flugzeug im Landeanflug ist, schieße ich aufgeregt Fotos – das Meer scheint vor dem Hintergrund schwarzer Bergsilhouetten landeinwärts zu fließen – einen braunen Fluss hinauf, in den grünen Djungel.
Sobald wir aussteigen trift eine Welle feuchtwarmer Luft unsere Gesichter; die Aufregung kribbelt mir in den Fingerspitzen- die Gerüche sind anders (eine Mischung aus klimatisierter Luft und Schweiß). Ich könnte Luftsprünge machen, dem Gewicht des Rucksacks auf meinen Schultern zum Trotz. Adam und ich haben uns entschlossen, mit nichts außer unserem Handgepäck in die weite Welt zu reisen: jeweils ein Rucksack und meine rote Kunstlederhandtasche. Ich werde bald lernen, dass wir trotzdem noch zu viel Zeug mit uns rumschleppen. Die Grenzkontrolle scheint vertraut – Fingerabdrücke, schau nicht zu müde fürs Foto, welche Lebensmittel führen Sie mit sich? – ich hätte nicht gedacht, dass mich Zentralamerika so an die Staaten erinnert.
Letze Woche hatten wir jeweils mit unserer eigenen Form von Panik zu kämpfen. Ich tat mir schwer, mein warmes Nest aus Freunden und Familie zurückzulassen – warum weggehen, dachte ich, wenn wir hier doch glücklich sind? Ist es wirklich besser, die Welt zu erkunden, als starke, enge Beziehungen zu entwickeln? Meiner besten Freundin dabei zuzusehen, wie sie an der Journalistenschule zu neuen Höhen aufschwingt? Die ersten Schritte meines Neffen miterleben, das erste schwere Wort (Bar-be-lies), die ersten Zähnchen? Adam hatte (glaube ich) ähnliche Zweifel, obwohl er seinen großen Sprung ins Unbekannte schon mit den Umzug nach Deutschland vor zwei Jahren hinter sich gebracht hatte. Er machte sich Sorgen um die Reise selbst, was, wenn wir losziehen und uns nur langweilen? Was, wenn wir nicht dafür geschaffen sind ? Was, wenn ich Babel gezwungen habe ihr zu Hause zu verlassen und wir werden nur unglücklich? (Er hat mich natürlich zu rein garnichts gezwungen. Aber das Wohl des jeweils anderen macht uns oft mehr Sorgen als unser eigenes.)
Um unsere Unsicherheit ein bisschen zu dämpfen, hat Adam uns für die ersten drei Nächte in Panama Stadt ein Hotel gebucht; wir nehmen ein Taxi von Flughafen weil uns das Bussystem überfordert. Ich bin froh, dass wir uns dafür entscheiden und kann doch das Gefühl nicht abschütteln, dass wir ganz falsch anfangen: sollten wir nicht eigentlich in die Stadt trampen oder, wenn es nicht anders geht, am Flughafen schlafen? Während ich es mir auf dem Rücksitz unseres klimatisierten Autos gemütlich mache, beschließe ich, dass wir noch genügend Gelegenheit für Abenteuer haben werden. Für den Moment ist es schön, ein verwöhnter Tourist zu sein.
Ciudad de Panama
Am nächsten Morgen machen wir uns auf die Suche nach einem Frühstück. Zu unserer Enttäuschung finden wir kaum einen Straßenhändler, nur endlose Reihen aus Amerikanischen Fastfoodketten: Wendy’s, Subways, Burger King bis an den Horizont nichts anderes. Die Stadt ist menschenleer und voller Autos. Taxis Hupen unermüdlich, um unsere Aufmerksamkeit zu erregen (es scheint, als ob man hier kein Taxi ruft, sondern die Taxis ihre Fahrgäste), links und rechts türmen sich die Wolkenkratzer, Fußgängerwege sind eine Seltenheit. Mir ist zu heiß und ich bin (irrational) enttäuscht. Ich hoffe ständig, dass wir um eine Ecke biegen und den Charme der Stadt entdecken: eine buntes Viertel vielleicht oder einen lebendigen Markt, doch das Gefühl durchs graue, klebrige, laute Nichts zu waden lässt sich nicht abschütteln. Nach einigen Stunden geben wir den Versuch auf die Stadt zu Fuß zu erkunden und wagen und erneut an die Busse. Wir stellen schnell fest, dass an der Bushaltestelle keine Ticketautomaten stehen (von einer Karte der Routen oder gar einem Fahrplan ganz zu schweigen) und dass auch der Busfahrer die „tarjeta metro“ nicht verkaufen kann. Glücklicherweise hilft uns eine Dame im Bus und lässt uns ihre benutzen – wir sind wohl nicht die ersten Touristen, die sich mit den Bussen schwer tun.
Tauben auf einem der vielen Wendy’s Schilder
Wir schlagen uns zu Casco Viejo durch, Panamas Altstadt. Die Architektur hier ist wesentlich ansprechender – alte Kolonialgebäude und die saubersten Straßen Zentralamerikas, doch selbst diese Touristenhochburg scheint seltsam still. Wir erkunden die Souvenirläden, machen in einem Café Halt für leckere Fruchtsmoothies und bestaunen die wunderschönen Kirchen des Viertels. Von viele der Gebäude aus Kolonialzeiten haben nur die Fassaden überlebt, andere wurden komplett restauriert und stehen als luxuriöse Villen neben ihren heruntergekommenen Nachbarn. Das Ergebnis ist eine herrliche Gegenüberstellung der lang vergangenen Geschichte spanischer Kolonialisierung und ihrer Fruchtbarmachung um die Stadt für begehrte, wirtschaftsantreibende Touristen attraktiver zu machen.
Casco Viejo
Alles wird anders, als wir die Avenida Central finden: hier hatte sich die gesamte Stadtbevölkerung also versteckt! In der Fußgängerzone wimmelt es von Menschen – Obststände die Ananasse und Papayas verkaufen, Geschäfte, die die Aufmerksamkeit potentieller Kunden mit lauter Musik erregen wollen (Despacito ist überall), Straßenhändler die von Flipflops zu Klappmessern alles mögliche feilbieten. Die Seitenstraßen prangen mit bunten Graffiti und wir haben endlich das Gefühl unser Abenteuer gefunden zu haben.
Es ist eine Erleichterung, ein bisschen Charakter in der sonst so Faden Metropole zu sehen, ein bisschen Lebendigkeit im Kontrast zu den Beton- und Glastürmen des Finanzviertels oder zu der klinischen Sauberkeit von Casco Viejo. Glücklich mischen wir uns in die Menge, bummeln durch Regale voller bunter Sandalen, billiger Tshirts und Strandspielzeug. Auf dem Heimweg finden wir endlich eine Ubahnstation, wo die ÖNV-Karte aus Plastik verkauft wird- der Schlüssel zum fantastischen Nahverkehrssystem der Stadt. Mit 35 Cent pro Fahrt schlägt die Ubahn Taxifahrten mit Leichtigkeit und wir fühlen uns schon mehr wie Weltreisende statt hilflose Touristen.